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Georg I. Herzog von Sachsen-Meiningen

Von Helmut Müller

 

In Meiningen stößt man in der Stadt häufig auf den Namen Georg. Er bezieht sich meist auf Herzog Georg II. von Sachsen—Meiningen (1826—1914) und soll vor allem die Erinnerung an die Leistungen des “Theaterherzogs“ durch seine bedeutsa­me Schauspielreform wach halten. Sein Großvater Herzog Georg I. (1761—1803) hatte als Vertreter der Aufklärung andere Verdienste um sein Land, welches er, wie auch sein Bruder Herzog Karl (1754—1782), im Sinne freimaurerischen Gedankengutes regierte. Auf Herzog Georg I. von Sachsen-Meiningen (4.2.1761 – 24.12.1803) also bezieht sich der Name unserer Loge.

 

Gemeinsam mit seinem Bruder Karl August (1754-1782) und einem kleinen Kreis aufgeklär­ter Persönlichkeiten hatte Georg I., nachdem durch seine Mutter Charlotte Amalie 1763 der Fortbestand des Herzogtums Sachsen-Meiningen gerettet, sowie bis 1775 die Grundlagen ei­ner aufgeklärten Regierungsform gefestigt waren, Basisarbeit zur Verbreitung eines neuen Menschenbildes zu leisten. Ihr Regierungskonzept hatte sich vom Gottesgnadentum gelöst und dem Menschen zugewandt. Auf allen Ebenen musste gegen Aberglauben, religiöse Eng­stirnigkeit, gegen Standesdünkel gestritten, musste für die Anwendung moderner medizini­scher Erkenntnisse wie z. B. der Pockenimpfung, musste für einen ertragreichen Ackerbau und effektivere Viehzucht gekämpft werden. Dazu brauchte das Land modern ausgebildete Lehrer in den Schulen und Pfarrer auf dem Lande, die auf dem Boden einer rationalen und aufgeklärten Theologie standen. Christliches Ethos und Erziehung durch Vorbild standen im Mittelpunkt. Nicht hoch genug ist hier das Wirken der 1774 gegründeten Meininger Loge so­wie des durch sie ins Leben gerufenen Lehrerseminars zu schätzen.

 

Georg I. formulierte in seinem „Entwurf einer gemeinnützigen Instruktion für Diener und Un­tertanen“, dass die Obrigkeit die Pflicht habe, ‚jedermann bei seinem Eigentum und Gerechtsamen zu schützen“, die Untertanen hingegen seien zur Einhaltung der Gesetzesvorschriften verpflichtet, „Müßiggang ist auf alle Weise zu verhindern, die Vermögensverschwendung ist… nicht zu gestatten“, heißt es darin. Es habe „der vereinte Eifer Reicher und Armer, Vor­nehmer und Geringer, das gemeinsame Wohl zu befördern und sich auf dem Wege dazu ge­genseitig zu unterstützen.“ In dieser Erziehungsarbeit sah die Obrigkeit die wichtigste Vor­aussetzung für einen wirtschaftlichen Aufschwung. Immerhin war das Land wegen seiner zer­rütteten Finanzlage und Hofhaltung 1763 bei dem Regierungsantritt Charlotte Amaliens hoch verschuldet und kreditunwürdig gewesen. Rettung war nur aus eigener Kraft möglich.

 

Die besondere Aufmerksamkeit galt, um ein Beispiel aus den Bemühungen um eine Hebung des Volkswohlstandes zu nennen, den Armen, Kranken und Pflegebedürftigen. Der Grundsatz lautete: Keine Almosen, sondern Hilfe durch Selbsthilfe. Für armer Leute Kinder, die wegen des Broterwerbs nicht zur Schule gehen konnten, wurde eine Armenschule mit angeschlosse­ner Arbeitsanstalt eingerichtet, wo sie handwerkliche Tätigkeiten erlernen und sogar gering­fügig verdienen konnten. Auch Erwachsene fanden dort Arbeit und Anleitung. Ärztliche Betreuung sowie Medikamente bekamen sie kostenlos aus der Armenkasse. Diese wurde ge­speist aus Spenden, Sammlungen, Zinsen, Buß- und Strafgeldern. Ehrenamtliche Kontrolleure wachten streng über die Beihilfen und die Bedürftigkeit der Empfänger. Auf diese Weise wurde das Betteln im Lande abgeschafft.

 

Alles der Würde des Menschen Widersprechende wurde im Laufe der Jahre aufgehoben, wie z. B. die öffentliche Kirchenbuße bei unehelicher Mutterschaft, der Exorzismus bei der Taufe oder der alte Religionseid für Staatsdiener. Außerdem unterschrieb Georg I. nie ein Todesur­teil. Er war ohnehin der Auffassung, Bestrafung habe „vielleicht nur die vorsichtigere Über­tretung der Pflichten zur Folge“, besser wäre, „das Gefühl für Ehre und Schande“ als besten Schutz gegen Gesetzesübertretung wiederzugewinnen.

 

Die ausgeklärte Gesinnung durchdrang im Laufe der Jahrzehnte nahezu alle Lebensbereiche. Die Landwirtschaft z. B. hatte die Volksernährung weitgehend zu sichern. Deshalb wurden 1886 z. B. Vorschläge der Landstände aufgegriffen und Odland erschlossen, Sümpfe trocken gelegt, neue Anbaumethoden aus Nachbarländern übernommen. Die Leibeigenschaft blieb je­doch bestehen. Fortschritte gab es im Gewerbe, im Chausseebau, in der Forstwirtschaft. Die Gründung der Forstakademie in Dreißigacker 1801 und die Berufung Johann Matthäus Bechsteins an deren Spitze geschah, um die wichtige Rohstoffressource Holz, aber auch den Tierbestand auf wissenschaftlich fundierter Basis sowohl nutzen als auch erhalten zu können.

 

Lebenslang war Georg I. um die Einheit von Schönheit und Nutzen bemüht. So ent­hielt der von ihm 1782 nach eigenen Entwürfen und unter persönlicher tätiger Mithilfe ange­legte Englische Garten z. B. sowohl einen Musiktempel für öffentliche Konzert als auch einen Mustergarten für Obst- und Gemüseanbau als Lehrbeispiel für die Bevölkerung. Dieses Prin­zip von Schönheit und Nutzen in der Verbindung von Gesundheit, Natur und Kunsterleben legte er auch bei der Umgestaltung Liebensteins zu einem Kurort zu Grunde. Viel lag ihm am Umgang mit Persönlichkeiten der Gelehrsamkeit und Kunst, lag ihm daran, Bücher, Musik, Kunst, Theaterspiel, gehobene Unterhaltung, wissenschaftliche Erkenntnisse für jedermann zugänglich und verständlich zu machen. Ein Musenhof nach Weimarer Vorbild passte nicht in diese Strebungen.

 

Als Georg I. 1803, erst knapp 43-jährig, starb, hinterließ er ein Staatswesen, in welchem der aufgeklärte Absolutismus unter den thüringischen Staaten seine stärkste Ausprägung erfahren hat.

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